Am Anfang war die Stille by Leonie Haubrich

Am Anfang war die Stille by Leonie Haubrich

Autor:Leonie Haubrich [Haubrich, Leonie]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-08-03T22:00:00+00:00


33. Kapitel

Das Flurlicht schaltete sich automatisch aus, als er die Stufen zur Arztpraxis hinunterging. Henrik Voigt fluchte. Vorsichtig bemühte er sich, in vollständiger Dunkelheit mit den Füßen die nächste Treppenstufe zu ertasten. Abgesehen von ihm war das Haus menschenleer und so konnte er nicht damit rechnen, dass irgendjemand kam und das Licht einschaltete oder ihm den großen Karton abnahm. Aus irgendeiner der Wohnungen klang ein Läuten, das ihn zusammenfahren ließ. Fast wäre die Kiste aus seiner Hand gerutscht. Er tastete nach dem Lichtschalter und wenig später erhellte sich das Treppenhaus. Motten flogen auf. Er schüttelte sich und ging weiter treppab. Seitlich versuchte er, an seiner Last vorbei auf die Stufen zu sehen. Er keuchte. Fünfzehnmal war er die Treppen zwischen Erdgeschoss und viertem Stock bereits runter-und hochgegangen.

„Herr Voigt?“ In dem Augenblick schaltete sich die Beleuchtung wieder aus.

Die Kiste entglitt ihm. Gepolter hallte wie ein Echo durch das Gebäude.

„Wer da?“ Henrik zwang sich, ruhig zu atmen.

„Wolff, Kriminalpolizei Wiesbaden und mein Kollege.“

„Wie sind Sie reingekommen?“ Bevor er die Frage ausgesprochen hatte, wusste er die Antwort. Diesmal fand er den Lichtschalter schneller.

„Tut mir leid, wenn wir Sie erschreckt haben. Wir haben bei Ihnen geläutet, aber es hat niemand geöffnet. Die Eingangstür war nur angelehnt.“ Er bückte sich und half, den Karton wieder einzuräumen.

„Lassen Sie nur, ich mache das schon.“

„Was ist das?“ Frau Wolff zeigte auf eine Babywinterjacke.

„Babykleidung?“ Herr Jansen hielt einen blauen Strampler hoch und für einen Moment war es, als hielten alle gleichzeitig den Atem an.

„Igitt. Was ist das denn?“ Sie ließ die Jacke fallen und ging einen Schritt zurück.

„Wenigstens stechen Motten nicht.“ Henrik grinste. Die Anspannung und die Anstrengung der vergangenen Stunden fielen von ihm ab. „Ich miste aus. Haben Sie unten nicht die anderen Kisten gesehen? Um halb sieben will jemand von der Wohlfahrt kommen und den Plunder abholen. Für den Flohmarkt. Für einen guten Zweck. Das war schon längst überfällig. Die Babykleidung gehörte Jacob. Meinem Jacob. Sie ist voller Motten und taugt nur noch für den Müll.“ Er spürte, wie das Blut in seinen Kopf schoss. Jacob. Wurde es nie leichter, den Namen auszusprechen?

„Sie sortieren Ihr Leben um?“, fragte Frau Wolff.

„Ist das ein Verhör?“

„So würde ich es nicht nennen.“ Herr Jansen ließ mehrere Gegenstände in die Kiste fallen. „So, jetzt ist alles eingesammelt.“

„Aber warum sind Sie dann gekommen?“

„Es geht um Cornelia Schuster.“

„Ich weiß auch nicht mehr als das, was ich Ihnen gesagt habe. Wenn Sie sich oben noch einmal umsehen wollen: Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.“ Henrik ärgerte sich über die Unsicherheit in seiner Stimme. Wieder schaltete sich das Licht aus. Diesmal leuchteten Autoscheinwerfer aus dem Hof in den Flur hinein und er fand den Schalter sofort.

„Wir brauchen ein paar zusätzliche Informationen.“ Herr Jansen klang weiterhin freundlich, als ginge es um eine Plauderei unter Freunden.

Henrik spürte, wie er in der Zugluft langsam auskühlte.

„Vielleicht ist es besser, wir gehen hoch. Da zieht es nicht und wir stehen auch nicht andauernd im Dunkeln. Ich bringe nur kurz das hier zum Müll.“ Er drängte sich an den beiden vorbei und eilte in den Hof.



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